Dr. phil. Norbert Schulz (* 5. Mai 1915 in Berlin; † 15. September 1949 in Berlin-Wilmersdorf) war von 1939 bis 1943 Kaplan in unserer Pfarrgemeinde Mater Dolorosa.
Norbert Schulz wurde am 5. Mai 1915 in Berlin geboren und wuchs als einziges Kind seiner Eltern Eugen und Agnes Schulz, geborene Witkowski, in Berlin-Mariendorf auf. Sein Vater war Regierungsrat.
Nach seinem Theologiestudium von 1933 bis 1937 in Breslau leistete er ein halbes Jahr seine Arbeitsplicht beim Reichsarbeitsdienst ab. Später schloß er auch ein Musikstudium an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin mit einer Promotion über den katholischen, böhmischen Komponisten Jan Dismas Zelenka ab, die von Professor Georg Schünemann angeregt worden war. Seine Dissertation mit dem Titel Johann Dismas Zelenka erschien 1944 in Berlin.
Nach seiner Priesterweihe durch Konrad Kardinal von Preysing am 17. Dezember 1938 in Berlin war sein erster Einsatzort als Kaplan unsere Pfarrei Mater Dolorosa in Berlin-Lankwitz, wo er zunächst nur aushilfsweise tätig sein sollte.1)
Hierher kam er am 1. Januar 1939 als zweiter Kaplan zu dem bereits seit 1937 hier wirkenden Kaplan Karl Heinz Möbius. Pfarrer Franz Nafe war zu dieser Zeit schon sehr krank. Im Dezember 1937 hatte er einen Schlaganfall erlitten, und war damit auf die Hilfe zweier Kapläne angewiesen. Zum 1. Oktober 1939 verabschiedete sich Pfarrer Franz Nafe in den Ruhestand, und die Gemeinde bekam mit Dr. Johannes Pinsk einen neuen Pfarrer. Kaplan Karl Heinz Möbius verließ die Gemeinde, so dass Norbert Schulz zu Kriegsbeginn als einziger Kaplan zurückblieb, der sich in dieser Übergangszeit als starke, stabilisierende Stütze der Gemeinde zeigte. Bereits bei einer längeren Abwesenheit von Pfarrer Johannes Pinsk – bedingt durch einen Unfall auf einer Treppe – verwaltete Kaplan Schulz von Juli bis Anfang Oktober 1940 die Pfarrei.
Norbert Schulz hatte eine frohe Ausstrahlung, war wortgewandt und kontaktfreudig. Mit seinen 24 Jahren wirkte er fast noch jugendlich. Besonders zur Pfarrjugend hatte er recht schnell einen guten Kontakt und diente - wenn auch unbewusst - der Charakterbildung vieler Jugendlicher unserer Pfarrei.
Zu den Aufgaben der Kapläne gehörte auch die Erteilung des Religionsunterrichtes an den Gymnasien, was sich in der Zeit der Nazi-Diktatur recht schwierig gestaltete. Doch durch diplomatisches Geschick - wie zum Beispiel das Übernehmen unangenehmer Protokollführung bei Lehrerkonferenzen - erreichte der theologisch sehr gebildete Kaplan Norbert Schulz, dass er sowohl beim Nazi-Direktor der heutigen Beethoven-Oberschule, der die Fächer Geschichte und Religion unterrichtete, als auch beim Kollegium sehr beliebt war und ihm wenig Schwierigkeiten bereitet wurden. Sein Religionsunterricht war sehr wissenschaftlich, doch fehlte nie der Bezug zum praktischen Leben.
Mit Begeisterung setzte er seine Begabung einer ungewöhnlichen Musikalität in der Gemeinde ein. So gründete er zunächst eine Mädchensingegruppe, die anfangs einstimmig, bald auch mehrstimmig sang, so dass ein recht anspruchsvoller Chor daraus wurde, dessen Repertoire unter anderem aus Sätzen von Bruckner, Orlando di Lasso und Heinrich Isaak bestand. Besonders widmete er sich aber auch der Pflege des bereits durch Pfarrer Nafe eingeführten Gregorianischen Chorals, wenn auch die mehrstimmigen Chorsätze zunächst lieber gesungen wurden und die Mädchen sich erst nach und nach dem Choralsingen öffneten.
In der Karwoche 1940 wurden in deutscher Sprache erstmalig die Trauermetten gehalten. Die Lesungen wurden in lateinischer Sprache von Pfarrer Johannes Pinsk, Kaplan Schulz und einigen Ministranten gesungen.
Am Vorabend von Epiphanie 1941 sang die Pfarrjugend unter der Leitung von Kaplan Schulz und nach dessen Einstudierung zum ersten Mal eine lateinische Vesper, die von der Gemeinde gut besucht wurde. Bald danach – am dritten Fastensonntag – wurde in gleicher Konstellation aber in deutscher Sprache erstmalig auch die Komplet gesungen.
1943 wurde bei der Fronleichnamsprozession ein von Kaplan Schulz komponiertes Te Deum2) für vierstimmigen, gemischten Chor und fünf Bläser dargeboten. Nach seinem Weggang aus der Gemeinde wurden noch die ebenfalls von ihm komponierten Offertorien „Laetentur caeli“ und „Terra tremuit“ gesungen.
Darüberhinaus gründete Kaplan Schulz ein Quartett mit einem Klavier, zwei Geigen und einem Cello, später kam noch eine Bratsche hinzu. So wurden unter anderem Werke von Beethoven und Haydn und Barockmusik gespielt.
Trotz des Krieges konnte er durch Beziehungen Noten beschaffen; die zum Teil alten Notenschlüssel schrieb er per Hand um und vervielfältigte sie für das Chorsingen.
Hin und wieder besuchte er mit Jugendlichen aus der Gemeinde die Konzertsäle Berlins. Mit Jugendgruppen ging er regelmäßig auf Fahrt zum Beispiel über Silvester nach Alt-Buchhorst. Da die Bündische Jugend vom Staat verboten worden war, verteilte er die Kinder auf viele kleine Gruppen, die in verschiedenen Abteilen der S-Bahn fuhren, so dass eine Zusammengehörigkeit nicht hergeleitet werden konnte.
Noch im Jahr 1939 wurde er zum Lokalkaplan der Gottesdienstelle Großbeeren unserer Gemeinde ernannt. Hier einigte er sich mit der evangelischen Kirche auf eine Nutzung der evangelischen Friedhofskapelle für Gottesdienste, als der vorher benutze Raum unter dem Schlachtendenkmal in Großbeeren der Gemeinde Mater Dolorosa für Gottesdienstzwecke gekündigt worden war, um für Veranstaltungen der Hitler-Jugend und des Bundes Deutscher Mädel genutzt zu werden.
Desöfteren fuhren Chor oder die Mädchenchoralschola nach Großbeeren, um dort Gottesdienste musikalisch zu gestalten.
Bei einem schweren Bombenangriff im März 1943 wurde das Dach des Pfarrhauses von einer 14 Kilogramm schweren Phosphor-Brandbombe durchschlagen, die jedoch nicht explodierte und auf dem Dachboden liegenblieb. In seiner Funktion als Betriebs-Luftschutzleiter trug Kaplan Schulz die Bombe auf einer Schaufel ins Freie. Als die Kirche in der Nacht zum 24. August 1943 erneut von britischen Phosphorbrandbomben getroffen wurde, war Kaplan Schulz ebenfalls tatkräftig zur Stelle, um noch größeren Schaden zu vermeiden.
Im November 1943 musste er unsere Gemeinde verlassen, da er zum Pfarrvikar von Gollnow in Westpommern ernannt worden war. Sein Nachfolger Alfred Kurts kam erst nach Ende des Zweiten Weltkreigs in unserer Gemeinde, so dass diese in den letzten beiden Kriegsjahren ohne Kaplan auskommen musste.
Im Juni 1944 wurde Norbert Schulz zum Lokalkaplan in Lindow (Mark) im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ernannt und mit der Seelsorge in Rheinsberg beauftragt.
Viele Jugendliche fuhren hin und wieder nach Gollnow und Lindow, um den freundschaftlichen Kontakt zu halten, Rat zu suchen oder den ein oder anderen Gottesdienst musikalisch durch Chorgesang zu verschönern.
Im Juli 1947 kehrte er nach Berlin zurück, da er zum Kaplan von der Pfarrei Heilig Kreuz in Berlin-Wilmersdorf ernannt wurde.
Norbert Schulz hatte 1949 ein Büchlein mit dem Titel „Opferfeier“ drucken lassen, in dem das Ordinarium des Gottesdienstes deutsch und lateinisch abgedruckt sind. In einem Anhang befinden sich Lieder, die für die Messfeier verwendet werden können.
Am 15. September 1949 starb Kaplan Norbert Schulz im Sankt-Gertrauden-Krankenhaus an den Folgen eines Autounfalls. Unter großer Anteilnahme der Gemeinde von Mater Dolorosa wurde er auf dem Sankt-Matthias-Friedhof in Berlin-Tempelhof Am Klostergarten Wahlstelle Nummer 14 beigesetzt. Die Grabstätte wurde 2002 neu mit den sterblichen Überresten von Pfarrer Gerhard Kuhn belegt. Zur Erinnerung an ihn und andere Geistliche befindet sich in Abteilung 5, Randstelle am Hauptweg Nummer 3 a bis e eine Gedenkstätte. Sein Name ist unter dem Sterbejahr 1949 in eine Steinplatte eingraviert.
Noch fünf Jahre nach seinem Tod wurde das Gedächtnis an ihn mit einem Requiem in einer Jugendmesse aufrechterhalten.