Von Markus Bautsch
Das bekannte Kirchenlied „Fest soll mein Taufbund immer steh’n“ taucht zuerst im Gesangbuch „Gesänge beim Römischkatholischen Gottesdienste nebst angehängtem Gebetbuche“ auf. Es wurde 1810 vom Vicarius zu Münster Christoph Bernhard Verspoell (*1743, †1818) in der Aschendorffschen Buchhandlung in Münster herausgegeben. Im Gesangbuch „Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen“ (Freiburg 1883 bis 1911, Band IV, Seite 132) von Wilhelm Bäumker (*1842, †1905) wird zu diesem Lied erwähnt, dass der Text auf Friedrich Matthias Berghaus (†1814) zurückgeht, der als Pfarrer an Sankt Lamberti (vermutlich in Münster) gewirkt hat.
In der Neuauflage des Gesangbuchs von Verspoell von 1829 unter der Nummer 72 und in der zweiten und dritten Auflage (1830) des im Erzbistum Köln herausgegebenen Werks „Römischkatholisches Gesangbuch“ vom Bonner Kaplan zum Heiligen Remigius Chrysanth Joseph Bierbaum (*1789, †1868) unter der Nummer 93 sind die folgenden vier Strophen zu finden:
1. Fest soll mein Taufbund immer steh‘n, ich will die Kirche hören; Sie soll mich allzeit gläubig seh’n und folgsam ihren Lehren. Dank sey dem Herrn, der mich aus Gnad‘ In seine Kirch‘ berufen hat; Nie will ich von ihr weichen. 2. Du Gottmensch bist mit Fleisch und Blut Wahrhaftig hier zugegen, Und dein Genuß, o höchstes Gut! Bringt meiner Seele Segen, Dir, ew'ge Wahrheit! glaube ich; In diesem Glauben stärke mich, Bis ich dich ewig sehe. 3. Dein Fleisch und Blut wird meinem Geist‘ Im guten Stärke geben; Und führt mich, wie's dein Mund verheißt, Gewiss zum ew'gen Leben. Dir güt'ge Allmacht! traue ich, In dieser Hoffnung stärke mich, Bis ich dich einst besitze. 4. Du littest, starbst; und setzest ein Ein Denkmal dieser Liebe, Daß du ganz mein, und ich ganz dein In Ewigkeit verbliebe. Mein Jesu! liebvoll dank‘ ich dir, Vermehre deine Lieb‘ in mir; Laß mich dich ewig lieben.
Hierbei ist zu bemerken, dass bei Verspoell die vier Strophen im Abschnitt „Lieder am Fronleichnams-Feste“ aufgeführt sind. Bei Bierbaum sind sie im Abschnitt „An Kommuniontagen“ aufgeführt, und die vier Strophen sind mit den Überschriften „Vor der heiligen Kommunion“ sowie „Glaube“, „Hoffnung“ und „Liebe“ versehen (vergleiche erster Brief des Apostels Paulus an die Korinther, 13. Kapitel (Das Hohelied der Liebe), Vers 13).
Das Kirchenlied war 1874 aus dem 1810 in Münster erschienenen Gesangbuch von Verspoell auch in das Diözesangesangbuch des Bistums Paderborn „Sursum corda“ übernommen worden. Zu dieser Zeit wurden im Bistum Paderborn viele Geistliche nach den im Deutschen Kaiserreich erlassenen kirchenpolitischen Maigesetzen von 1873 verhaftet und abgesetzt. Die Verabschiedungen durch die Katholiken gestalteten sich mit sehr großer Anteilnahme, und es wurde dabei häufig „Fest soll mein Taufbund immer steh‘n“ als Bekenntnislied gesungen, wie zum Beispiel bei der öffentlich begleiteten Ausweisung der drei Diözesanpriester an der Redemptoristenkirche in Bochum im Juli 1875, kurz darauf bei der Verabschiedung der Franziskaner aus Wiedenbrück oder anlässlich der staatlich verordneten Mitbenutzung der Marienkirche in Bochum durch die Altkatholiken im Oktober 1876.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es im oben genannten Gesangbuch „Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen“ erneut mit der Überschrift „Vor der heiligen Kommunion“ versehen. Im Gesangbuch „Katholische Kirchengesänge und Gebete“ für das Bistum Berlin von 1935 taucht das Lied unter der Nummer 107 zwar mit den vier Strophen von Berghaus auf, ist aber hier jedoch mit „Erneuerung des Taufbundes“ überschrieben. Da der Text der vier Strophen eher mit der Eucharistie als mit der Erneuerung des Taufbundes zu tun hat, regte dies möglicherweise zur Dichtung entsprechender neuer Strophen an.
Im alten in Berlin verwendeten Gesangbuch „Ehre sei Gott“ von 1952 steht das Lied unter Nummer 200 und ist mit der Angabe versehen, dass der Text der ersten Strophe aus dem Jahr 1810 von Verspoell stammt und die zweite und dritte Strophe neu sind. Ferner wird darauf verwiesen, dass die Melodie von Chrysanth Joseph Bierbaum komponiert und 1826 in Bonn veröffentlicht wurde. Das Lied steht unter der gleichen Nummer auch in der Neuauflage des Gesangbuchs von 1957, allerdings ohne die Angabe von Quellen.
Die beiden neuen Strophen lauten:
2. O Seeligkeit getauft zu sein In Christus eingesenket. Am Leben der Dreieinigkeit Ward Anteil mir geschenket. Ich bin der Kirche, Christi Glied, Ein Wunder ist's, wie das geschieht. Ich bete an und glaube. 3. Mit Jesu Christi Priestertum Bin ich geschmückt in Gnaden. Zum Opferdienst, zum Gotteslob Hat er mich eingeladen. Ich bin gesalbt zum heilgen Streit, Bin Christi Königreich geweiht, Ihm will ich leben, sterben.
In dem vielen deutschen Katholiken noch bekannten Gotteslob von 1975 taucht das Lied unter der Nummer 872 im Anhang der Diözesanausgabe für das Bistum Berlin auf. Als Urheberin der beiden neuen Strophen wird Johanna Engelmann angegeben. Hier gibt es allerdings kleine Textänderungen gegenüber dem „Ehre sei Gott“, die vielleicht auf die Wirkung des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückgeführt werden können: In der zweiten Strophe heißt es nun nicht mehr „Ich bin der Kirche Christi Glied“, sondern „Ich bin nun Kirche Christi Glied“, und in der dritten Strophe heißt es nicht mehr „Mit Jesu Christi Priestertum bin ich geschmückt in Gnaden“, sondern „An Jesu Christi Priestertum hab ich nun Teil in Gnaden“. Im Referat Kirchenmusik am Erzbischöflichen Ordinariat des Erzbistums Berlin liegt leider kein Editionsbericht vom Berliner Anhang zum Gotteslob vor, so dass wir über den Grund der Textänderungen vorerst nur mutmaßen können.
Interessant ist, dass nach der Wiedervereinigung Deutschlands in der Neuauflage des Berliner Gotteslobs von 1996 nicht nur der Anhang erweitert wurde und die Geschlechter gleichgestellt wurden, sondern beim Lied Nummer 872 nicht mehr Johanna Engelmann, sondern Johannes Pinsk (*1891, †1957) als Dichter der beiden neuen Strophen angegeben wird. Er studierte und arbeitete von 1911 bis 1928 in Breslau, kam anschließend als Nachfolger des Akademikerseelsorgers Carl Sonnenschein nach Berlin und hat von 1939 bis 1954 als Pfarrer in unserer Gemeinde Mater Dolorosa amtiert. Ferner war der Benediktineroblate der Abtei Maria Laach in der Eifel. In unserer Gemeinde hieß es, dass er unter Verwendung des Pseudonyms „Johanna Engelmann“ mehrere Veröffentlichungen gemacht hätte.
Nach den Angaben des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier taucht das Lied heute in verschiedener Form in den Ausgaben vom Gotteslob der folgenden Bistümer auf:
In den Versen wurden die Apostophe bei den Auslassungen im Wortinnern in den neueren Ausgaben meist weggelassen, es wurde also zum Beispiel „stehn“ statt „steh'n“ geschrieben.
Im Berliner Anhang der aktuellen Diözesanausgabe für das Bistum Berlin vom Gotteslob von 2013 stehen nun unter der Liednummer 835 erneut die drei Strophen in der Fassung aus dem „Ehre sei Gott“ aus den 1950er Jahren, und es wird Johanna Engelmann als Textdichterin der zweiten und dritten Strophe angegeben, da dem Referat Kirchenmusik an unserem Erzbischöflichen Ordinariat keine Erkenntnisse über eine andere Urheberschaft vorlagen. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte dieses Kirchenliedes bin ich auf neun theologische Veröffentlichungen von Johanna Engelmann gestoßen, die aus der Zeit von 1933 bis 1960 stammen:
Ferner habe ich eine interessante Quelle gefunden, die darauf hinweist, dass schon die beiden ältesten Veröffentlichungen dieser Liste aus den 1930er Jahren von einer römisch-katholischen Seelsorgehelferin dieses Namens stammen: Im von Annebelle Pithan in Münster herausgegebenen Buch „Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts“ ist nachzulesen, dass Johanna Engelmann am 4. April 1901 in der Diözese Görlitz-Cottbus geboren wurde und am 24. September 1988 in Altötting gestorben ist. Sie studierte in Freiburg sowie im schlesischen Beuthen und unterrichtete in Breslau, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie den dort tätigen Priester Johannes Pinsk aus dieser Zeit persönlich kannte. Ferner arbeitete sie beim Ordinariat in Passau und war Oblatin des Benediktinerklosters im Kurort Bad Wimpfen in Baden-Württemberg. Die ursprünglich aus dem Kloster Beuron stammenden Benediktiner dieses Klosters wurden 1945 aus dem Niederschlesischen Kloster Grüssau vertrieben und konnten 1947 in der Kirche des früheren Ritterstifts Wimpfen Zuflucht finden, wo sie bis 2006 arbeiten und beten konnten.
Die Staatsbibliothek Berlin hat unter der Signatur DMS O. 86108 noch ein stark übersäuertes, brüchiges und im Einband komplett loses Exemplar des Buches Kirchenlieder für Volksgesang im Geiste der Liturgie im Bestand, das 1940 vom Verlag Franke in Breslau veröffentlicht wurde. Dort finden sich im Abschnitt Choral B 18 auf Seite 27 die erste Strophe „Fest soll lmein Taufbund immer stehn“ von Verspoell ergänzt um die beiden oben angegebenen Strophen von Johanna Engelmann. Der einzige weitere Nachweis dieses Buches findet sich in der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig unter der Signatur 1940 A 13217.
Die oben erwähnte Seelsorgehelferin Johanna Engelmann war 1940 also die Urheberin der beiden neuen Strophen unseres Kirchenliedes „Fest soll mein Taufbund immer stehn“.
Es ist immer wieder überraschend, wie bei der Recherche zum Ursprung eines Kirchenliedes so viele interessante kleine Geschichten zum Vorschein kommen…
Ich danke dem Leiter des Referats Kirchenmusik im Erzbischöflichen Ordinariat Berlin, Martin Ludwig, dem Geschäftsführer und kommissarischen Leiter der Bibliothek des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier, Albert J. Urban, den Gemeindemitgliedern Barbara Saß-Viehweger und Lorenz Weinrich sowie den Mitarbeitern der Staatsbibliothek Berlin für die freundliche und sehr hilfsbereite Unterstützung bei den Recherchen.
Februar 2017