Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz

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Reisebericht vom Areopag

Von Markus Bautsch

Vom Platz der Verfassung (Syntagma) in Athen sind es etwa 1000 Meter bis zum Areopag. Vom Frühstückssaal im Obergeschoss meines Hotels sehe ich im Westen das benachbarte Gebäude des Griechischen Parlaments mit dem Denkmal des unbekannten Soldaten. Mein Blick schweift nach rechts, wo ich im Süden zunächst die vielen Bäume des Nationalgartens sehe und das darin liegende Zappeion erahne, ein multifunktionaler Bau, der 1896 für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit genutzt wurde und in dem 1979 der Beitritt Griechenlands zu Europäischen Gemeinschaft besiegelt wurde. Mein Blick schweift weiter über den alten Stadtteil Plaka, und er fängt sich unwillkürlich bei der 156 Meter hoch erhabenen Akropolis.

Auf dem Areopag

Wesentlich unscheinbarer – weil nur 115 Meter hoch und noch etwa 300 Meter weiter entfernt – erkenne ich rechts daneben endlich den Areopag. Ich bin verblüfft, dass ich trotz der großen Entfernung jeden einzelnen der schon auf dem Gipfel des Marmorhügels befindlichen Frühaufsteher erkennen kann, die sich dunkel vor dem milchigweißen, nebligen Hintergrund abheben.


Der Name des Hügels leitet sich vermutlich vom griechischen Kriegsgott Ares ab. Während der mykenischen und der geometrischen Periode diente der Bereich als Begräbnisstätte. Der oberste Rat der Stadt tagte hier schon seit der Antike. Er setzte sich zunächst aus Anführern des Hochadels und später aus bewährten Archonten zusammen, die die Staatsaufsicht führten.


Turm der Winde

Mein Entschluss steht fest: Vor meinem beruflichen Termin habe ich noch ein paar Stunden Zeit, um diesmal nicht die Akropolis, sondern den Areopag an der Apostel-Paulus-Straße zu erkunden. Ich gehe zu Fuß durch den alten Stadtteil Plaka, nicht ohne der antiken Hadriansbibliothek und dem Turm der Winde vorher einen Besuch abzustatten. Wenige Minuten später erreiche ich die Agora, einen relativ weitläufigen, antiken Versammlungs- und Marktplatz mitten in Athen, an den im Süden der Areopag angrenzt.

Ich lasse die zahlreichen Sehenswürdigkeiten auf der Agora zunächst rechts liegen und stelle beim Aufstieg zum Areopag fest, dass ich trotz des unüberhörbaren Hintergrundrauschens der Großstadt die Stimmen der sich auf dem Gipfel unterhaltenden Besucher des Hügels deutlich hören kann. Unwillkürlich taucht in mir das Bild des Apostels Paulus auf, der möglicherweise genau von dort zu den Athenern unterhalb des Gipfels gesprochen hat, um Ihnen von Jesus zu erzählen (siehe Apostelgeschichte 17, 16 bis 34).


Paulus soll nach seiner Reise nach Athen im Jahre 50 recht zornig gewesen sein, als er sah, dass und wie die Athener ihre zahlreichen Götzen anbeteten. Nachdem er in der Synagoge mit vielen Gläubigen geredet hatte, luden die Athener ihn ein und führten in zum Areopag, damit er den vielen durchaus neugierigen Leuten von seiner neuen Lehre erzählen konnte. Er lobte ihre unverkennbare Frömmigkeit und verkündete Ihnen dann aber den von den Toten auferstandenen Messias als den Sohn des einen Gottes und setzte diesen Gott mit dem von den Athenern verehrten „unbekannten Gott“ gleich. Viele Zuhörer verspotteten ihn, andere blieben neugierig und wollten mehr wissen. Einige konnten von Paulus schließlich so überzeugt werden, dass sie sich ihm und der christlichen Lehre anschlossen. Der erste Bekehrte war Dionysius Areopagita gewesen, der später der erste christliche Bischof von Athen wurde. Am Nordhang des Areopags wurde später eine Basilika errichtet, die ihm geweiht war.

Auf diese Weise brachte Paulus also das Christentum nach Athen und der Areopag ist somit ein Symbol für die Verkündigung des Christentums in der Welt. Diese Tatsche hat möglicherweise Johannes Pinsk, den zweiten Pfarrer unserer Gemeinde Mater Dolorosa, angeregt, den neuen Altar, der 1950 nach der Zerstörung des Kirchenschiffes im Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Querschiffkirche mit einer Besonderheit auszustatten: Er ließ in den Boden neben dem Altar Steine einlassen; einer stammte von der dem Areopag benachbarten Akropolis in Athen, die beide aus dem gleichen Felsgestein bestehen, und zwei weitere vom kapitolinischen Hügel in Rom. Der Areopag symbolisiert die Verkündigung des Auferstandenen in einem der bedeutenden geistigen Zentren der Antike, die Akropolis ist ein Symbol der Volksherrschaft und der kapitolinische Hügel steht – trotz der Tatsache, dass er der kleinste der sieben legendären Hügel Roms ist – für die weltumspannende Macht eines Reiches. Diese Steine wurden durch einen weiteren Stein von einem bedeutenden Hügel ergänzt, nämlich aus Golgota. Da das Kirchenschiff inzwischen wieder vollständig aufgebaut ist und der damalige Altar abgerissen wurde, befindet sich dieser Stein heute vor unserem Altar von 1970 und jeweils ein Stein vom Kapitol und von der Akropolis vor unserem Ambo.

Theodor Heuss, bei dessen Wiederwahl zum Bundespräsidenten Johannes Pinsk im Rahmen eines Gottesdienstes bei der zweiten Bundesversammlung 1954 in Berlin die Predigt auf dem Messegelände unter dem Funkturm gehalten hatte, sagte in den 1950er Jahren:

  • „Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akropolis in Athen, das Kapitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit sehen“:

Auch die folgende Formulierung soll von ihm stammen:

  • „Europa ist auf drei Hügeln gebaut. Golgota steht für Frieden, die Akropolis für Demokratie und das Kapitol in Rom für die Rechtsstaatlichkeit.“

Apostelgeschichte auf Bronzetafel am Areopag

Agorablick vom Areopag mit dem Tempel des Hephaistos

Neben der letzten Treppe zum Gipfel sehe ich die große Bronzetafel, auf der die griechische Fassung des Teils der Apostelgeschichte geschrieben ist, der den Besuch des Apostels Paulus am Areopag beschreibt. Oben angekommen genieße ich die schöne Rundumsicht, insbesondere über die Agora und auf die Propyläen.

Ansicht vom Stein

Ich finde einen losen Marmorstein, der mir dadurch auffällt, dass er in sehr vielen verschiedenen Farben schillert, und stecke ihn als kleines Andenken an diesen Ort ein.

Andere Ansicht vom Stein

Beim genaueren Betrachten zu Hause finde ich neben schwarz, weiß und vielen dazwischenliegenden Grautönen sehr viele Farbtöne, wie zum Beispiel karmin, ocker, orange, gelb, olivgrün oder dunkelblau. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Farben in solch einem kleinen Stück Marmor mit wenigen Zentimetern Durchmesser vereinigt sein können. Für mich sind diese vielen Farben ein schönes Symbol für die Gemeinschaft der Christen in der Gemeinde, im Bistum und in der Welt - auch mit unterschiedlichen Hautfarben, Sprachen oder Traditionen.

Auf dem Rückweg treffe ich auf der Agora unterhalb des Tempels des Hephaistos einen belgischen Kollegen, der ebenfalls Katholik ist, und tausche mich mit ihm die Erlebnisse des Vormittags aus. Befremdlich stößt uns beiden auf, dass eine Eisenbahn direkt durch den nördlichen Bereich der antiken Agora geführt wurde. Wieder am Syntagma angekommen bleibt sogar noch ein wenig Zeit einen gemeinsamen Kaffee einzunehmen und die kurze Besichtigung der alten Athener Sehenswürdigkeiten noch ein wenig reflektierend zu beschließen.

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