Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz

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Bericht vom Passionsspiel 2005

Von Ursula Storck

Passionsspiele kennt man aus Oberammergau in Oberbayern und Erl in Tirol. Gestiftet wurden sie auf Grund von Gelübden nach Rettung aus großer Bedrängnis von den frommen Landleuten im ausgehenden Mittelalter.

Biblios und Evangelion

Aber hier in Mater Dolorosa, in Berlin, im Computerzeitalter, nach vielen „Historienschinken“, nach dem brutal realistischen Passions-Film von Mel Gibson? Mehr aus Höflichkeit machte ich mich auf den Weg, um mir das Passionsspiel in unserer Kirche anzuschauen, gestaltet von Jugendlichen, die „fürs Krippenspiel zu alt geworden waren“. So drückte sich die Mutter des Hauptdarstellers aus.

Das letzte Abendmahl

Als das Licht in der Kirche ausging und die Orgel mit dem Vorspiel des Chorals „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Bach das Spiel einleitete, waren schon fast alle meine Zweifel zerstoben: der ergreifende Choral von J. S. Bach schuf den meditativen Hintergrund, der sofort die zahlreichen Zuschauer in den Bann zog.

Im Mittelgang der Kirche hatte man einen Laufsteg aufgebaut, der als Bühne diente. Beleuchtet wurden die Szenen mit Scheinwerfern von einem mobilen Gerüst aus, das unter der Orgel im Eingangsbereich aufgebaut war.

Die Erweckung des Lazarus bildete den Auftakt des Spiels, es folgt der Einzug Jesu in Jerusalem. In der nächsten Szene salbt Maria Magdalena die Füße Jesu und Judas verhandelt mit den Hohepriestern um den Lohn für seinen geplanten Verrat. Wohltuend die moderne Auffassung dieser problematischen Gestalt, die in der Vergangenheit so oft dämonisiert wurde. Judas ist enttäuscht, daß Jesus offensichtlich keine politischen Interessen hat. Und als „Buchhalter“ der kleinen Gemeinschaft muß er auf das Geld achten.

Jesus vor Pilatus

Bis auf wenige Ausnahmen tragen die Mitwirkenden lange weiße Gewänder.

Halstücher in verschiedenen Farben sind das sparsame Unterscheidungsmerkmal. Aus der Menge der handelnden Personen heben sich durch ihr Kostüm zum Beispiel Herodes und Pilatus ab.

Der Autor Ansgar Vössing hat die Texte dem Alten und Neuen Testament entnommen. Zwei Lektorinnen am Ambo, Biblios und Evangelion genannt, zitieren sie im Licht von Kerzen. Freier gestaltet ist die Verhandlung des Judas mit den Hohen Priestern.

Ins Spiel verwoben wurden lateinische Hymnen aus der katholischen Liturgie der Karwoche. Bewundernswert die Leistung des Chores, der die lateinischen Hymnen auswendig darbot und zum Beispiel Pilatus, der als Römer natürlich nur ausführlich lateinisch disputierte.

Beklemmend die nur angedeutete Geißelung, Kreuzweg und Kreuzigung.

Geradezu raffiniert die Darstellung des Lanzenstichs bei der Kreuzigungsszene: Mit Hilfe des Scheinwerfers wird die Lanze grell beleuchtet und ihr Schatten scheint den mittelalterlichen Corpus des Kreuzes im Altarraum zu durchbohren.

Jesus nimmt das Kreuz auf sich

Die Musik hat großem Anteil an diesem Passionsspiel: teils ist das Bläseremsemble, teils ein kleines Orchester, Soli oder die Orgel beteiligt, um Szenen mit passender meditativer Musik verschiedener Komponisten auszuschmücken. Sehr ausdrucksstark der Aufschrei: „Jesus cadit!“ („Jesus fällt!“) gesungen von Markus Bautsch, aus der „Via Crucis - Der Kreuzweg“ von Franz Liszt.

Jesus' gefesselte Hände

Ein Glücksfall ist der Darsteller des Jesus, Alexander Linden: er ging voll und ganz in seiner schwierigen Rolle auf. Durch das halblange Haar und den Bart wirkt er als sei er einem Gemälde entstiegen. Eindringlich die Angst im Garten Gethsemane, seine Enttäuschung über die schläfrigen Jünger. Seine Darstellung bewirkte nachhaltige Erschütterung bei vielen der Zuschauer. Er hat mit seiner Leistung Maßstäbe gesetzt.

Der Autor Ansgar Vössing hatte schon lange den Wunsch, in Mater Dolorosa ein Passionsspiel aufzuführen. Ganz bewußt hat er den Text auf die Schriftstellen im Alten und Neuen Testament beschränkt und vermeidet so, das ernste Thema mit unpassenden Stilmitteln zu banalisieren. Die knappen Aussagen lassen jedem Zuschauer Raum zu meditativer Betrachtung.

Es war nicht einfach, diese Idee eines Passionsspiels umzusetzen. Die jungen Darsteller mußten zunächst von dem Projekt überzeugt werden – da waren die Eltern gefordert. Junge Leute haben ein reiches Angebot an Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen. Nicht ohne weiteres gehört auch die Auseinandersetzung mit der Passion Christi dazu.

Als die Vorbereitungen im Januar 2005 begannen, betrat man Neuland. Gemeinsam wurde das Spiel entwickelt, die schwierige bildliche Umsetzung des komplexen Geschehens. Einerseits durfte die Produktion nur wenig kosten, andererseits sollte das Ergebnis weder Kitsch noch Grusel à la Hollywood sein. Ziel des Unternehmens war einzig und allein, Hilfestellung zu einer meditativen Auseinandersetzung mit den Texten zu geben, die die bestürzenden Ereignisse um Jesus für die Nachwelt überlieferten.

Geduldig mußten viele logistische Probleme gelöst und technische Mitarbeiter gewonnen werden. Freundliche ältere Damen aus der Gemeinde fungierten als Kostümschneiderinnen.

Die Gewänder wurden auf dem großen Tisch im Pfarrhaus zugeschnitten.

Den Laufsteg, der als Bühne diente, stellte eine Schule zur Verfügung. Aber die vielen schweren Einzelteile zu transportieren bedeutete eine ziemliche Herausforderung. Zudem hatte die Schule Sorge, daß sie das teure Gerät in einwandfreiem Zustand zurückbekam.

Es war ein gewaltiger Aufwand an Zeit, Kraft und Fantasie nötig. Und da keiner der am Projekt „Passionsspiel“ Beteiligten in Geld für seinen Einsatz entlohnt wurde, war – wie immer im kirchlichen Bereich – Idealismus gefragt. Und die jungen Leute haben bewiesen, daß sie davon doch eine Menge aufbringen können - mit einem beträchtlichen Nutzen für die Gemeinde und sicher auch für sich selbst. Die jungen Menschen waren gefordert und haben sich voll eingebracht.

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