Von Peter Simonett
Der Kreuzweg von Franz Liszt
für Solostimmen, Chor und Orgel
Kirche Mater Dolorosa, Kurfürstenstraße 59, 12249 Berlin-Lankwitz (behindertengerechter Seiteneingang).
In der Kreuzwegandacht am 1. April 2001 um 16 Uhr wird wieder diese ergreifende Komposition für Solo-Sänger, Chor und Orgel von Liszt aufgeführt.
Seit Jahrhunderten ist die Betrachtung der Kreuzwegstationen ein frommer Brauch in unseren Kirchen. Etwa seit 1600 hat sich die Zahl der 14 Stationen durchgesetzt und sehr bald finden sich in allen katholischen Kirchen entsprechende Bilder, vor denen in der Fastenzeit die Kreuzwegandachten gehalten werden. Da dies keine offiziellen liturgischen Gottesdienste sind und da in der Fastenzeit die große Musik ohnehin mit Zurückhaltung bedacht wird, hat sich dafür keine besondere musikalische Tradition herausgebildet; meist werden nur entsprechende Kirchenlieder gesungen, so wie das bei uns auch jetzt meist üblich ist, Liszt steht mit seinem Werk einigermaßen isoliert da, erst im 20. Jahrhundert haben sich weitere Komponisten dieses Stoffes angenommen. Liszt war - so bewegt und für manchen auch anstößig sein Leben war - nicht nur ein religiöser, sondern ein wirklich frommer Mensch. Sein reiches kirchenmusikalisches Schaffen legt davon Zeugnis ab. Bei uns gehört seine wertvolle Missa choralis für Chor und Orgel zum Repertoire des Chores.
Zu der Kreuzweg-Komposition ist Liszt in Rom durch das Beten des Kreuzweges im Collosseum angeregt worden. Er hat sogar überlegt, ob man für eine angemessene Musik ein riesiges Harmonium bauen könnte. Die Komposition wurde aber dann doch für normale Gegebenheiten ausgearbeitet. Erstaunlicherweise hat sie aber fast hundert Jahre gebraucht, bis sie in der kirchenmusikalischen Praxis ihren Platz gefunden hat. Auch in Berlin war die Via Crucis nahezu unbekannt. Als wir vor einigen Jahren das Werk zum ersten Mal aufgeführt haben, ist es fast zeitgleich an zwei anderen Stellen erklungen - und das natürlich ohne Absprache. Seither finden wir regelmäßig Aufführungen in etlichen Kirchen.
Liszt rahmt die Betrachtung des Leidens und Sterbens ein durch den alten Hymnus „Vexilla regis“. An zwei Stellen erklingen im vierstimmigen Satz die Kirchenlieder „O Haupt voll Blut und Wunden„ und „O Traurigkeit, o Herzeleid“. Die anderen Gesangspartien sind meist solistisch. Sehr beziehungsreich für unsere Gemeinde wird dreimal das „Stabat Mater Dolorosa“ gesungen, immer als Antwort auf den vom Bariton expressiv vorgetragenen Hinweis, daß Jesus fällt. Die Worte Jesu und das furchtbare „Kreuzige ihn!„ sind ebenfalls dieser Solostimme anvertraut. Diese musikalisch anspruchsvolle Partie verlangt deshalb einen Sänger mit einer großen stimmlichen Ausdruckspalette; Michael Mrosek wird diese Aufgabe wieder übernehmen. Den größten Anteil an der abwechselnd meditativen, dann wieder expressiven Deutung der einzelnen Stationen hat der Orgelpart. Ohne Worte zwingt uns der Komponist allein durch die Gewalt der Musik in den Bann der religiösen Aussage. Wenn nach den letzten Worten des Chores, dem „Ave crux“, der Schluß in der Orgel mit einer leisen aufwärts führenden Bewegung verklingt, wird damit der Hinweis auf Ostern schon gegeben,
Deshalb wollen wir die Aufführung auch nicht als Konzert verstehen, sondern als Gottesdienst, der uns im Innern bewegen soll.