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O Heiland reiß' die Himmel auf

Von Markus Bautsch

Wussten Sie, dass das Adventslied „O Heiland, reiß' die Himmel auf“ zwar im 17. Jahrhundert geschaffen wurde, die Melodie aber schon aus dem Mittelalter stammt ?

Der gregorianische Gesang zum Beginn der Heiligen Messe am vierten Adventssonntag, der sogenannte Introitus, basiert auf einem Text aus dem Propheten Jesaja (Kapitel 45, Vers 8). Der Gesang wird wegen des Anfangswortes des Verses „Rorate“ genannt. Der vollständige lateinische Text lautet nach der Vulgata wie folgt:

Introitus Rorate im Codex Einsidlensis 121 entstanden um das Jahr 970

Rorate cæli desuper,
et nubes pluant justum:
aperiatur terra,
et germinet Salvatorem.

Nach der Einheitsübersetzung lautet diese Bibelstelle auf Deutsch:

Taut, ihr Himmel, von oben,
Ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen!
Die Erde tue sich auf
und bringe das Heil hervor.

Im Gotteslob gibt es unter der Liednummer 234 eine zweisprachige Fassung dieses Textes in Moll. Heute sind aber auch noch die folgenden deutschsprachigen Textfassungen bekannt und verbreitet:

  • „O Heiland, reiß' die Himmel auf“, Gotteslob, Liednummer 231 / Evangelisches Gesangbuch, Liednummer 7, Augsburg 1666, Tonart: erster Kirchenton
  • „Tauet Himmel den Gerechten“, Gotteslob, Liednummer 714, Tonart: Dur
  • „Tau aus Himmelshöh'n“, Gotteslob, Liednummer 158, Kyrie-Litanei, Tonart: Moll
  • „Tauet, Himmel aus den Höh'n“, altes Gotteslob, Liednummer 104, Melodie Erfurt 1544, Tonart: erster Kirchenton

Die ersten drei Strophen des Kirchenliedes „O Heiland, reiß' die Himmel auf“ sind eine freie Übersetzung des oben erwähnten Rorate-Textes durch den Jesuitenpater Friedrich Spee:

O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf!
Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
O Gott, ein Tau vom Himmel gieß, im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken brecht und regnet aus den König über Jakobs Haus.
O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, dass Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring, o Heiland, aus der Erden spring.

Die vierte, fünfte und sechste Strophe wurden von ihm hinzugedichtet. Es handelt sich bei diesem Werk um eine Kontrafaktur, also in diesem Fall um die Schaffung eines neuen, deutschsprachigen Liedes durch die Übersetzung vom lateinischen Text und die gleichzeitige Übertragung von Melodiebestandteilen des gregorianischen Stückes. In der folgenden doppelzeiligen Notendarstellung wird dies verdeutlicht. Oben steht die erste Strophe „O Heiland, reiß' die Himmel auf“, und darunter stehen die entsprechenden Passagen des alten gregorianischen Gesangs „Rorate“:

Kontrafaktur O Heiland reiß' die Himmel auf / Rorate caeli


September 2015

Siehe auch

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