Von Rolf Herrmann, Vorsitzender des Stiftungsvorstands
Realisierte Änderungen und unerledigte Herausforderungen
Die Frage nach der richtigen Feier der Liturgie, der Kooperation zwischen Universal- und Ortskirche sowie das Verhältnis der katholischen Kirche zur Welt der Gegenwart: Die Diskussion über das Zweite Vatikanum und die Konsequenzen für den Weg der katholischen Kirche heute kommt nicht zum Stillstand. Die Betonung des allgemeinen Priestertums der Gläubigen ist eine noch nicht eingelöste Herausforderung des auch als „pastorales Konzil“ bezeichneten Zweiten Vatikanums. Weiterhin stellt sich die Frage, ob entgegen den Absichten des Zweiten Vatikanischen Konzils mit der allgemeinen Aufwertung des Bischofsamtes die Hierarchisierung und Zentralisierung sogar noch beschleunigt wurden. „Sind die Bischöfe in der Massenmedienkultur, soweit diese überhaupt noch ‚Religiöses‘ wahrnimmt, die am meisten Aufmerksamkeit erheischenden Autoritäten mit der geringsten Autorität“ (Johannes Röser in Christ in der Gegenwart Nr. 39/2015, 424 mit Hinweis auf Franz-Xaver Kaufmann)? Muss darüber hinaus mit dem Bochumer Kirchenhistoriker Wilhelm Damberg von einer „enttäuschten Liebe“ zwischen dem Kirchenvolk und den Bischöfen gesprochen werden? Inwieweit lässt sich die Wahrheit des überlieferten Glaubens angesichts der modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse neu und überzeugend zur Sprache bringen? Schließlich ist noch hinzuweisen auf die beiden herausragenden Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils „Nostra Aetate“ (zum Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum) und „Dignitatis Humanae“ (zur Religionsfreiheit). Wie die Anstöße und Konsequenzen des Zweiten Vatikanums aus seiner Sicht zu bewerten sind, hat Prof. Dr. Michael Sievernich (SJ) auf Einladung der Stiftung Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz in einem Vortrag ausgeführt und zu Fragen Stellung genommen.
Die Veranstaltung fand am Freitag, den 19. Februar 2016, 18:00 Uhr im Großen Pfarrsaal der Gemeinde Mater Dolorosa, Kurfürstenstraße 59, 12249 Berlin statt.
Von Joachim Goerke-von Stockert, Mitglied des Stiftungsvorstands
Es waren zirka 50 Personen gekommen, und der Vortrag erstreckte sich über diese drei Teile:
Dem wirklich ein guten und interessanten Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Im Anschluss gab es einen Imbiss.
Pater Sievernich nahm uns mit auf eine Zeitreise zum Beginn der 1960er Jahre. Der Zweite Weltkrieg war noch keine 20 Jahre vorbei und die Stichworte waren: Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Martin Luther King, Kalter Krieg mit dem Mauerbau, erster katholischer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika John F. Kennedy, Eröffnung des Zweite Vatikanischen Konzils, Ermordung von John F. Kennedy, …
In der Katholischen Kirche war Ende 1958 Papst Johannes XXIII. als Nachfolger von Papst Pius XII. gewählt worden. Ein „Bauernjunge“ als Nachfolger des eher als „Aristokrat“ erscheinenden Vorgängers. Sehr volksnah, wurde ihm in Deutschland nicht gerade Euphorie zuteil.
Der Entschluss, ein weiteres Konzil zu eröffnen und nicht etwa das Erste Vatikanische Konzil fortzusetzen (wie es Pius XI. und Pius XII. überlegt hatten) war bahnbrechend, weil die Katholische Kirche bis heute die einzige der Weltreligionen ist, die sich „den Entwicklungen und Herausforderungen der Moderne“ explizit mit der Offenheit stellte, was daran aufnehmbar und wertvoll ist.
War das Erste Vatikanische Konzil noch von der expliziten Feindschaft gegenüber „der Moderne“ geprägt und die Delegierten (= die teilnehmenden Prälaten und Bischöfe) in erster Linie Weiße, Europäer (und vor allem Italiener; „Ein Drittel von ihnen kam aus außereuropäischen Ländern, unter ihnen befanden sich 61 aus den unierten Ostkirchen, 121 aus Amerika, 41 aus Asien, 18 aus Ozeanien und neun aus Afrika. Die meisten von ihnen hatten aber eine europäische Bildung, weswegen das Konzil im Prinzip von europäischen Interessen dominiert wurde. Deutschland und Österreich entsandten beispielsweise 77 Vertreter, die Vertreter der Italiener (35 %) und Franzosen (17 %) machten zusammen mehr als die Hälfte aller Teilnehmer aus.“ - Quelle: Wikipedia).
Die Teilnehmer am Zweiten Vatikanischen Konzil waren jedoch über den Erdball verteilt (etwa die Hälfte der Teilnehmer kam nicht aus Europa). Auch trug der Papst nicht die Tiara (= Papstkrone, die die vorherigen Päpste als Herrscher über alle Herrscher darstellte), sondern die Mitra, (die Bischofsmütze), und er wurde nicht in der Sänfte bis zum Altar getragen.
Nach der Erläuterung der Zielsetzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils fasste Pater Sievernich die wichtigsten Ergebnisse zusammen:
Besonders führte Pater Sievernich dann noch diese drei Gedanken aus.