Das älteste Gebäude Berlins, die Marienfelder Dorfkirche, wurde um 1220 vom Kloster Zinna aus auf einem bereits bestehenden Friedhof errichtet, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Begräbnisfeld der kleinen Marienfelder Dorfbevölkerung genügte. Das Bevölkerungswachstum im Zuge der Industrialisierung Berlins zog die Notwendigkeit einer größeren Friedhofsanlage nach sich, so dass 1889 die ersten Grabfelder des heutigen Friedhofs angelegt wurden. Die später errichtete Umfassungsmauer wurde gerne von begüterten Familien als Ort für anspruchsvolle Grabmonumente benutzt. Da außer dem kleinen Friedhof für die Schwestern des Klosters keine weitere Begräbnisstätte zur Verfügung stand, wurden die Toten der katholischen Minderheit in Lankwitz beigesetzt. Erst seit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg steht der bis heute einzige Friedhof Marienfeldes den Toten aller Bekenntnisse offen.
Heute macht ein Wegweiser an der Marienfelder Allee 127 auf die schmale Zufahrtsstraße zum Friedhof aufmerksam. Gleich hinter dem Eingang ist die bemerkenswerte Friedhofskapelle von 1927 zu erkennen. Sie ist ein Spätwerk des bekannten Architekten Bruno Möring und steht als charakteristisches Beispiel für die Bauweise der 1920er Jahre unter Denkmalschutz. Dem Architekten und seiner Familie wurde ein Ehrengrabmal auf dem Friedhof zugestanden.
Die Anlage verfügt über weitere Besonderheiten: Für die Schwestern der Kongregation der Armen Schulschwestern wurde eine eigene Grabanlage mit einheitlich gestalteten, schlichten Grabplatten angelegt. Mit dem Weggang der letzten Schwestern aus Marienfelde wird auch dieses Kapitel der Friedhofsgeschichte geschlossen.
Wie die meisten Berliner Friedhöfe umfasst auch der Marienfelder Friedhof Grabstätten für Kriegsopfer. Dazu zählen Soldaten aus dem Lazarett, das in beiden Weltkriegen im Kloster eingerichtet worden war, ebenso wie Zivilisten, die Luftangriffen und den sinnlosen Kampfhandlungen der letzten Kriegstage zum Opfer fielen, außerdem 33 ausländische Zwangsarbeiter der Daimler-Benz-Motorenwerke, auf deren Baracken im November 1940 ein abstürzendes britisches Bombenflugzeug fiel und explodierte. Für die Pflege der Kriegsopfergräber ist nach dem deutschen Friedhofsgesetz das Land Berlin zuständig, das dafür Zuweisungen vom Bund erhält.
In die neueste Besonderheit des Friedhofs ist unsere Gemeinde Vom Guten Hirten involviert. Und das kam so:
Im Zuge der Dach- und Turmsanierung der Klosterkirche wurde die Öffnung für das Zugseil der Stundenglocke des Klosters geschlossen, die in einem kleinen Dachreiter über dem Schutzmantelmadonnenschiff hing und seit dem Weggang des Ordens stumm geblieben war. In Verkennung der Bedeutung dieser Glocke verfrachteten Bauarbeiter diese auf den Abraumhaufen, wo Pfarrer Karcz sie gerade noch rechtzeitig vor dem Abtransport retten konnte. Da er natürlich den Friedhof kennt und mit den dafür Verantwortlichen in unserer evangelischen Nachbargemeinde gute Beziehungen pflegt, wurde vereinbart, dass die Glocke aus einem katholischen Kloster als Leihgabe dem evangelischen Friedhof für Trauerfeierlichkeiten übergeben wird. Sie wird noch in einer herzustellenden Vorrichtung angemessen untergebracht und wird wieder ihren angestammten Dienst verrichten: Die Menschen an ihren Weg durch Gottes Zeit bis an das Ende zu erinnern. Gleichzeitig kann diese Glocke auch als schönes Zeichen ökumenischer Verbundenheit der Christen in Marienfelde dienen.
Johann Schweier