Von Ursula Storck
In unregelmäßigen Abständen hat die Gemeinde Mater Dolorosa die Freude, einen Gottesdienst zu erleben, den der Gospelchor gestaltet hat.
Noch nicht einmal zwanzig junge Leute zwischen 30 und 40, junge Eltern zumeist, haben sich unter der Leitung von Almut Trenkler zusammengefunden, um die Musik zu pflegen, die die geschundenen schwarzen Sklaven Amerikas vom 19. Jahrhundert an für ihre Gottesdienste entwickelt haben. In ihrem Selbstverständnis sieht sich die Gruppe als einen Chor, der aus Gemeindemitgliedern besteht und in der Gemeinde beheimatet bleiben will.
Alle stehen sie „mitten im Leben“, in Beruf oder Familie, und vereinbaren die Probentermine von Fall zu Fall: allen bleibt nur ein geringes Kontingent frei verfügbarer Zeit, das sie deshalb sorgfältig planen müssen. An allzu starr festgesetzten Terminen würde das Projekt bald scheitern.
Und das wäre wirklich schade! Es war - wieder einmal - ein begeisternder und bereichernder und - last but not least - gut besuchter Gottesdienst am 27. Juni 1999, den wir diesem kleinen Chor zu verdanken haben.
Als Rhythmus-Instrument verwendet Almut Trenkler Tambourin und eine afrikanische Trommel.
Damit die Gemeinde nicht nur die englischen Texte verstehen sondern auch mitmachen kann, liegen Blätter mit den Noten und Texten aus.
Der Wechselgesang zwischen Chor und Solo-Stimmen ist typisch für die Gospels. Die Solopartien wurden alternierend von verschiedenen Mitgliedern des Chors übernommen und mir fiel besonders eine melodische, warm timbrierte, gut geführte Sopranstimme auf.
Und was hat die religiöse Musik der entrechteten, schwarzen Sklaven Nordamerikas einer Berliner Kirchengemeinde der „gehobenen Mittelschicht“ zu bieten?
Zunächst einmal sind da die rhythmisch interessanten, ins Ohr gehenden sinnlichen Melodien, die Herz und Seele gleichermaßen erfreuen. Die schlichten Texte meditieren Glaubenswahrheiten, die auch noch heute Trost und Kraft zu bieten vermögen, hierin den Psalmen nicht wesensfremd. Der kühle westliche Intellekt verstummt vor der warmen, lebendigen afrikanischen Weise, die Botschaft der Bibel ins Leben hinein zu nehmen und von der Hoffnung zu singen, die der christliche Glaube uns allen zu schenken vermag.
Es war schon recht eindrucksvoll, dezent die Augen schweifen zu lassen beim letzten Gospel: „He’s Got the Whole World“ und zu sehen, wie die Gemeinde ganz allmählich auch mit dem Körper den Rhythmus aufgriff - der eine mehr, der andere weniger - und sich willig und fröhlich der Botschaft öffnete:
Er hält die ganze Welt in seiner Hand. Er hält den Wind und den Regen, die Sonne und den Mond in seiner Hand. Er hält das winzig kleine Baby in seiner Hand. Er hält dich und mich, Bruder, in seiner Hand. Er hält dich und mich, Schwester in seiner Hand.
Er hält jeden in seiner Hand…