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— | musik:ueber_die_pythagoreischen_wurzeln_der_gregorianischen_moden [2021/02/28 19:21] (aktuell) – angelegt - Externe Bearbeitung 127.0.0.1 | ||
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+ | =====Über die pythagoreischen Wurzeln der gregorianischen Modi===== | ||
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+ | **Von [[personen: | ||
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+ | Dieser Beitrag beleuchtet den Hintergrund der Legende von Pythagoras in der Schmiede und weist nach, dass diese Legende eine sehr realistische Grundlage haben könnte. Abschließend wird gezeigt, wie sich die pythagoreischen Töne im Gregorianischen Choral beim ersten Stück des Kirchenjahres wiederfinden. | ||
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+ | ====Die Erfindung der Musik==== | ||
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+ | ===Überlieferung in der Antike=== | ||
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+ | Leider sind keine Schriften von Pythagoras vorhanden (möglicherweise hat er auch gar keine hinterlassen), | ||
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+ | Nach der Legende [[http:// | ||
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+ | Danach hätte er diese Verhältnisse beim Variieren der Zuggewichte von Saiten und schließlich auch beim [[http:// | ||
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+ | ===Überlieferung im Mittelalter=== | ||
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+ | Noch einmal 500 Jahre später, also mittlerweile 1500 Jahre nach dem Wirken von Pythagoras, bezieht sich der mittelalterliche Musiktheoretiker und Benediktiner [[http:// | ||
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+ | Diese Überlieferung der Legende von Pythagoras erwähnt, dass dieser an einer Schmiede vorbeigekommen sei, wo auf einem Amboss fünf Hämmer schmiedeten. Bei Boethius war jedoch weder von Schmieden, noch von einem Amboss die Rede. | ||
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+ | ====Widersprüche==== | ||
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+ | Bei der physikalischen Analyse der überlieferten Fakten ergeben sich drei Widersprüche: | ||
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+ | * Die Eigenfrequenz von Hammerköpfen ist praktisch unhörbar, da sie im Ultraschallbereich liegt | ||
+ | * Die Eigenfrequenz von Hammerköpfen ist in der Regel nicht umgekehrt proportional zu deren Gewicht | ||
+ | * Die Zuggewichte einer Saite sind weder proportional noch umgekehrt proportional zur Tonhöhe | ||
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+ | ====Erklärungsversuch==== | ||
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+ | Diese Widersprüche können ausgeräumt werden, wenn die folgenden Sachverhalte erwogen beziehungsweise berücksichtigt werden: | ||
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+ | * Pythagoras könnte den komplizierten und aufwendigen Bau des über 1000 Meter langen [[http:// | ||
+ | * Zu Lebzeiten des Pythagoras wurde das monumentale [[http:// | ||
+ | * Das lateinische Wort „faber“ muss nicht mit „Schmied“, | ||
+ | * Es gab damals sicherlich mehr Werkstätten und Handwerker zur Steinbearbeitung als zur Metallbearbeitung | ||
+ | * Schmieden, in denen mindestens fünf Handwerker gleichzeitig schmieden konnten, dürften nur selten zu finden gewesen sein | ||
+ | * Bei Meißeln liegt die Eigenfrequenz im hörbaren Bereich | ||
+ | * Bei Meißeln mit gleicher Querschnittfläche ist die Tonhöhe umgekehrt proportional zu deren Gewicht und zu deren Länge | ||
+ | * Die Tonhöhe einer schwingenden Saite ist umgekehrt proportional zu deren Länge | ||
+ | * Die Tonhöhe einer schwingenden Saite ist umgekehrt proportional zu deren Dicke | ||
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+ | Mit einigen entsprechenden und plausiblen Annahmen ergibt sich ein Szenario, das sich zu Pythagoras' | ||
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+ | Wenn die Geschehnisse der Überlieferung von Boethius, die weder Schmiede noch Ambosse erwähnt, in einer Werkstätte für Steinmetze stattgefunden haben und in dem Punkt der Benennung der Werkzeuge dahingehend ungenau war, dass nicht nur die Hämmer, sondern Ensembles aus Meißeln gleichen Querschnitts aber unterschiedlicher Länge und Hämmern gemeint waren, wären die Töne hörbar und den Meißeln zuzuschreiben gewesen. Unter dieser Voraussetzung wären die ganzzahligen Verhältnisse der Tonhöhen identisch mit denen der Längen oder Gewichte der Meißel und völlig unabhängig von den Handwerkern und den verwendeten Hämmern gewesen. | ||
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+ | Beim Experimentieren mit einem Monochord und konstanter Saitenspannung und -beschaffenheit hätte Pythagoras bei einer bestimmten Saitendicke exakt die gleichen Verhältnisse zwischen Saitenlänge und Tonhöhe und bei einer bestimmten Saitenlänge exakt die gleichen Verhältnisse zwischen Saitendicke und Tonhöhe gefunden, wie zwischen Meißellänge respektive Meißelgewicht und Tonhöhe. Eine doppelt so lange Saite mit gleicher Dicke oder eine doppelt so dicke Saite mit gleicher Länge klingen also exakt eine Oktave tiefer, als die Saite mit der einfachen Dicke beziehungsweise Länge. | ||
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+ | Die hierbei zu beobachtenden Verhältnisse mit den ganzen Zahlen 1, 2, 3 und 4 entsprechen den konsonanten Intervallen Oktave, Quinte, Quarte und Prim. In Bezug auf einen beliebigen Grundton ergeben die entsprechenden vier pythagoreischen Töne einen sogenannten Tetrachord. | ||
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+ | Bei der weiteren Untersuchung dieser Verhältnisse ergab sich schließlich die diatonische Tonfolge aus den sieben Tönen A – B – C – D – E – F – G. Diese heptatonische Tonleiter bildet sowohl die die Grundlage für das antike Systema Téleion der Griechen, das sich in den Jahrhunderten nach Pythagoras herausbildete, | ||
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+ | Die antiken Untersuchungen mit den Zuggewichten von Saiten mögen durchgeführt worden sein, sind jedoch für diese Erkenntnisse weder hinreichend noch erforderlich. Wird die Spannkraft der Saite verdoppelt, ergibt sich eine um den Faktor Quadratwurzel von zwei (≈ 1,4142) erhöhte Frequenz, die einem gemeinhin als dissonant empfundenen Tritonus-Intervall entspricht. Nichtsdestoweniger war auch diese irrationale Zahl sowohl den Pythagoreern als auch schon lange zuvor den Babyloniern bekannt. | ||
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+ | Unabhängig von der Frage, welche dieser Gesetzmäßigkeiten in der Antike tatsächlich untersucht und gefunden worden sind, sind bei den mittelalterlichen und neuzeitlichen Überlieferungen offensichtlich Ungenauigkeiten aufgetreten. Ferner sind auch unhistorische Ergänzungen vorgenommen worden, die für die Interpretation der Überlieferung des Boethius jedoch nicht weiter berücksichtigt werden müssen. Nichtsdestoweniger haben Ungenauigkeiten bei den Überlieferungen und die praxisfernen Hinzufügungen und Änderungen sicherlich dazu beigetragen, | ||
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+ | =====Der erste Gesang des Kirchenjahres===== | ||
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+ | Die gregorianische Antiphon „Ad te levavi“ wird als Introitus des ersten Sonntags im Advent und somit als erster Gesang des Kirchenjahres gesungen. Die nach dem Graduale Novum restituierte Melodie im VIII. Ton (Tetrardus plagalis) beginnt auf dem Text „Ad te levavi animam meam“ (siehe Psalm 24,1 und Psalm 142,8 (Vulgata), „Zu dir habe ich meine Seele gehoben“, vergleiche Psalm 25,1 und Psalm 143,8 (Einheitsübersetzung)) mit zwanzig Tönen, von denen vierzehn dem pythagoreischen Tetrachord C – F – G – c entsprechen und die restlichen sechs als Verzierungen und Durchgangstöne betrachtet werden können. Der Melodieabschnitt endet auf dem Ton F, die Repercussa (der Halteton oder Tenor) ist das C und die Finalis (der Schlusston) des VIII. Modus ist das G. | ||
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+ | Diese Koinzidenz ist recht auffällig, und es scheint, als wollte uns der Komponist mit diesem ersten Stück des gregorianischen Repertoires auf den (pythagoreischen) Ursprung der Musiktheorie und der Systeme der antiken und gregorianischen Modi hinweisen... | ||
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+ | März 2012 | ||
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+ | =====Siehe auch===== | ||
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+ | * [[Beiträge zum Gregorianischen Gesang]] | ||
+ | * [[Choralschola]] | ||