Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz

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Karmetten

Von Ursula Storck

Tenebrae-Leuchter auf dem Altar

Es sind nur wenige Gemeinden, die in den Tagen vor Ostern die Karmetten singen. Die Gemeinde Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz gehört dazu und natürlich Sankt Hedwig in Berlin-Mitte, die Hauptkirche des Erzbistums Berlin.

Der Brauch, die Karmetten zu halten, geht in Mater Dolorosa zurück auf den zweiten Pfarrer der Gemeinde, Dr. Johannes Pinsk. Er hat sich geradezu bahnbrechend für die würdige Gestaltung des Gottesdienstes und die Erneuerung der Liturgie eingesetzt. Bis heute ist seine Prägung spürbar.

Aus dem reichen Schatz, den die Kirche in den Jahrhunderten ihres Bestehens gesammelt hat, stammen auch die Karmetten. Wenn ich mich recht entsinne, wurden sie früher nur lateinisch gebetet und gesungen. Eindrucksvoll sind die beiden großen Leuchter auf dem Altar, die jeweils sieben ansteigend angeordnete Kerzen tragen und so ein Dreieck bilden. Zu Beginn des Gottesdienstes sind alle vierzehn Kerzen entzündet. Nach und nach wird eine Kerze nach der anderen gelöscht.

Das Wort „Mette“ dürfte seinen Ursprung in der Matutin, dem Morgengebet der Kirche haben, einem Teil des Stundengebetes, das Priester und Ordensleute pflegen. Neben den Psalmen, die zum Stundengebet gehören, sind es die Klagelieder des Jeremias, die in den drei Kartagen feierlich als Lesung gesungen werden.

Es ist immer wieder anrührend, auf diese Weise die alten Texte zu meditieren. Geht es in ihnen doch um Leid, Bedrohung, Erniedrigung, Ängste – Erfahrungen, die Menschen in allen Jahrtausenden machen mussten. Die Besonderheit ist aber, dass der gläubige Mensch sich auch in einem Meer aus Angst und Kummer an seinen Gott wenden kann und die Hoffnung haben darf, dass er ihn retten wird aus aller Verzweiflung. Es besteht keinerlei Verpflichtung, an diesem besonderen Gebet teilzunehmen – jeder, der sich diese Zeit gönnt, ist freiwillig da. Wer nimmt sich wohl die Zeit, allein für sich die Psalmen zu meditieren…?

Die Welt war noch nie ein friedlicher Ort – das lehren uns die über 2000 Jahre alten bildmächtigen Gebete. Aus Macht- und Geldgier entsprangen schon immer Krieg, Raub und Mord, Häme und Spott. Wer sich meditierend den Psalmen und den Klageliedern der Karmetten anvertraut, wird sich den aktuellen Bezügen zum Geschehen unserer Zeit nicht verschließen können: von ganz allein stellen sich die Bilder ein, mit denen die Medien uns täglich überschütten.

Die alten wunderbaren Texte können dazu anregen, das Leid der Welt vor Gott zu tragen, im Namen der Gepeinigten zu ihm zu schreien. Er wird uns hören.


25. Mai 2005

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