Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz

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musik:dialog_ueber_die_vierfalt_zwischen_anteus_und_tiro

Dialog über die Vierfalt zwischen dem Meister Anteus und seinem Schüler Tiro

Anteus: Ich grüße dich Tiro! Wie geht es dir?

Tiro: Sei gegrüßt, Meister Anteus! Ich fühle mich ausgeschlafen, aber vor dem Einschlafen stellen sich mir immer neue Fragen, auf die ich keine Antworten weiß. Kannst du mir wieder einmal bei der Beantwortung helfen?

Anteus: Dafür bin ich da, und ich werde wie auch sonst immer alles versuchen, dir dabei behilflich zu sein. Welche Frage hat dich denn gestern vor dem Einschlafen beschäftigt?

Tiro: Warum haben wir vier verschiedene Evangelien, würde uns nicht auch nur ein einziges völlig genügen?

Anteus: Eine ausgezeichnete Frage, die ich mit dir gerne wie üblich von den Wurzeln her betrachten möchte.

Tiro: Wir gehen also zurück bis zu den Lebzeiten der Verfasser der Evangelien?

Anteus: Nein, Tiro, wir werden noch weiter zurück gehen müssen, um die Antworten besser verstehen zu können.

Tiro: Bis in die Zeit des babylonischen Exils?

Anteus: Nein, noch viel weiter.

Tiro: Also bis zu Mose und den zehn Geboten?

Anteus: Das erste Gebot beginnt mit den Worten: „Ich bin der Herr, dein Gott.“ Aber lass uns noch weiter zurück bis an den allerersten Anfang zurückkehren, Tiro. Das Evangelium von Johannes beginnt mit dem Vers: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Wie viele Buchstaben hat das Wort „Gott“?

Tiro: Na vier – wenn ich einen Moment länger darüber nachsinne, ist es bemerkenswert, dass dies in vielen Sprachen der Fall zu sein scheint. Im Hebräischen: JHWH, im Griechischen: Θεός, im Lateinischen: Deus.

Anteus: Ja, bei JHWH handelt es sich um ein Tetragramm, also ein Vierfachzeichen. Was hat Gott am Anfang der Schöpfung gemacht?

Tiro: Am ersten Tag schuf er den Himmel und die Erde, das Licht und die Finsternis, den Tag und die Nacht.

Anteus: Und was passierte am Ende dieses Tages?

Tiro: Es wurde Abend, und es wurde Morgen.

Anteus: Und welche beiden Tageszeiten sind dazwischen.

Tiro: Na am Tag der Mittag und in der Nacht die Mitternacht.

Anteus: Also insgesamt vier Tageszeiten! Ein neuer Tag beginnt für uns nach dem Aufwachen am Morgen, die Kraft der Sonne ist am Mittag am größten, am Abend erreicht der Tag seine Reife, und in der Nacht herrschen Ruhe und Dunkelheit, und der Tag geht für uns zu Ende.

Kennst du denn auch die vier Hauptflüsse in der Schöpfungsgeschichte?

Tiro: Im Garten Eden entspringt ein Strom, der sich in vier Flüsse teilt, den Pischon, den Gihon, den Tigris und den Euphrat.

Anteus: Sehr gut gelernt, Tiro. Was meinst du, wohin diese vier Flüsse von den Quellen des Euphrats und des Tigris′ flossen?

Tiro: Ich denke, dass sie in völlig verschiedene Richtungen in alle Welt flossen: in unsere Richtung zum Mare Mediterraneum, in Richtung zum Pontus, in Richtung zum Caspium Mare und in Richtung zum Sinus Persicus.

Anteus: Und wenn du an den Horizont schaust, welche Richtungen wären dies von diesem Ursprung aus gesehen?

Tiro: Das Mare Mediterraneum liegt in unsere Richtung also nach Westen, der Pontus im Norden, das Caspium Mare im Osten und der Sinus Persicus im Süden – das sind unsere vier Himmelsrichtungen!

Anteus: Du siehst also, dass wir uns mit der Hilfe von Himmelsrichtungen auf der von Gott geschaffenen Erde orientieren können. Mit welcher dieser vier Himmelsrichtungen verbindest du denn einen Anfang?

Tiro: Der Tag beginnt am Morgen, wo die Sonne immer im Osten aufgeht.

Anteus: Und wie geht es dann weiter?

Tiro: Mittags steht die Sonne am höchsten im Süden auf dem Meridian, abends geht die Sonne im Westen wieder unter, und nachts ist sie im Norden unter dem Horizont und für uns daher unsichtbar.

Anteus: Also können wir uns nicht nur auf der Erde, sondern auch im von Gott erschaffenen Himmel mit den vier Himmelsrichtungen verständigen. Welche Zeichen kannst du des nachts am Himmel entdecken?

Tiro: Der Mond spendet häufig das meiste Licht, die glänzenden Planeten ziehen ihre Bahnen, und es gibt tausende von Sternen am Firmament.

Anteus: Das ist richtig. Wo gehen denn all diese Gestirne auf und unter?

Tiro: Na genauso wie die Sonne: sie gehen immer im Osten auf und im Westen unter, allerdings nur falls sie nicht sowieso die ganze Zeit über dem Horizont stehen, wie zum Beispiel die w-förmige Cassiopeia mit ihren vier besonders hellen und leicht zu entdeckenden Sternen.

Anteus: Das stimmt, ausgezeichnet, Tiro! Kannst du mir denn auch sagen, warum der Nachthimmel dennoch immer wieder anders aussieht?

Tiro: Das liegt daran, dass sich der Fixsternhimmel innerhalb eines Jahres einmal vollständig um uns dreht und zu einer bestimmten Tageszeit daher Tag für Tag einen etwas anderen Ausschnitt des Firmaments zeigt.

Anteus: Und wie kannst du verschiedene Zeiten des Jahres noch unterscheiden?

Tiro: Von der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr bis zu der im Herbst sind die Tage länger als die Nächte, und im Halbjahr danach ist es umgekehrt.

Anteus: Das ist richtig, genauso wie die Feststellung, dass in der Zeitspanne von der Wintersommerwende bis zur Sommersonnenwende die Tage immer länger werden, und in der Zeitspanne von der Sommersonnenwende bis zur Wintersommerwende die Tage immer kürzer werden. Demnach kann man das Jahr in vier Abschnitte teilen.

Tiro: Ja genau: in den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter.

Anteus: Erkennst du die Bedeutungen des Tageslaufes, über die wir vorhin gesprochen hatten, in dieser Reihe wieder? Das Jahr beginnt im Frühling, im Sommer erreicht die Sonne ihre größte Kraft, im Herbst ernten wir die reifen Früchte des Feldes und im Winter geht die Natur in eine dunklere Ruhezeit.

Aber nicht nur ein Tag und ein Jahr, sondern auch ein Monat kann in vier Zeitabschnitte eingeteilt werden. Weißt du noch, wie?

Tiro: Ja, natürlich! Ein Monat hat vier Wochen, die den vier Mondvierteln entsprechen: vom Neumond zum zunehmenden Halbmond, von dort zum Vollmond und über den abnehmenden Halbmond wieder zurück zum Neumond.

Anteus: Genau, und der Mond steht im Laufe eines solchen Monats erst als Neumond bei der Sonne, dann links von der Sonne, bei Vollmond gegenüber der Sonne und schließlich rechts von der Sonne, und wir haben wieder unsere vier senkrecht zueinanderstehenden Himmelsrichtungen.

Sowohl der Kreislauf der Tage, als auch der Kreislauf der Monate oder der Kreislauf der Jahre mit den jeweils vier aufeinanderfolgenden Abschnitten können in einem einzigen einfachen Bild dargestellt werden, sieh hier:

Tiro: Das ist wirklich faszinierend. Ich sehe in der Zeichnung auch unsere vier Himmelsrichtungen und in der Mitte ein vierarmiges Kreuz.

Anteus: Unten in der Mitte ist auch das Kreuz unseres Herrn zu erkennen, was dir sicherlich nicht schwer fällt.

Übrigens kennen wir aus den Büchern der Propheten Ezechiel und Sacharja die Visionen von den vier Winden. Sacharja beschreibt sie als vier Wagen, die von roten, schwarzen, weißen und gescheckten Pferden in verschiedene Richtungen gezogen werden und den Geist Gottes über die ganze Erde bringen.

Es geht aber noch weiter: welche typischen Sternbilder kannst du denn in unseren vier Jahreszeiten jeweils am leichtesten am Nachthimmel entdecken?

Tiro: Ich freue mich sehr, wenn ich nachts draußen sein darf und den Himmel bewundern kann. Es gibt immer so viel zu sehen. In jeder der vier Jahreszeiten gibt es ein stets leicht zu erkennendes Sternbild, das aus vielen einzelnen hellen Sternen besteht. Es steht während seiner Jahreszeit um Mitternacht immer im Süden am weitesten über dem Horizont, so dass es vollständig betrachtet werden kann:

  • im Frühling das Sternbild Leo,
  • im Sommer das Sternbild Aquila,
  • im Herbst das Sternbild Aquarius und
  • im Winter das Sternbild Taurus.

Anteus: Und auch diese vier Sternbilder stehen daher in vier Himmelsrichtungen rechtwinklig zueinander, nur dass die helle Sonne die bei ihr in der Nähe stehenden Sterne überstrahlt.

Tiro: Ja, stimmt, das ist alles sehr interessant!

Anteus: Ist die denn bei der Nennung der vier Hauptsternbilder etwas aufgefallen?

Tiro: Nein, was sollte denn daran auffällig sein?

Anteus: Na übersetzte die vier Namen doch bitte einmal.

Tiro: Leo ist der Löwe, Aquila der Adler, Aquarius der Wassermann und Taurus der Stier.

Anteus: Und fällt dir bei diesen vier Lebewesen fällt etwas auf, das dich an die Offenbarung des Johannes erinnert?

Tiro: Leider nein, Meister Anteus!

Anteus: Dann lies mir doch einmal aus dem vierten Kapitel vor; nur die beiden Verse sechs und sieben bitte!

Tiro: Moment, ich muss erst noch dieses letzte Buch des Neuen Testaments in meiner Bibel aufschlagen:

„Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte des Thrones und rings um den Thron waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.“

Wenn der Wassermann mit einem Menschen gleichgesetzt wird, sind das ja genau die vier Lebewesen mit den funkelnden Sternen der vier Jahreszeitensternbilder rings um uns im Universum!

Anteus: Ja, und der Adler fliegt als einziges Wesen, und zwar oberhalb des Sternbilds Skorpion und dem Lebewesenkreis, dem Zodiak mit seinen zwölf Lebewesenkreiszeichen, auf dem unsere sieben Wandelgestirne ihre Bahnen ziehen. Die drei anderen Sternbilder gehören direkt zum Zodiak. Und die Reihenfolge der vier Sternbilder am Himmel entspricht der Erwähnung und der Schreibrichtung in unserer Heiligen Schrift von links nach rechts.

Tiro: Nun dämmert mir noch etwas: das sind ja genau die vier Symbole, die wir den vier Evangelisten zuschreiben! Markus als Löwe, Lukas als Stier, Matthäus als Mensch und Johannes als Adler.

Anteus: Genau, Tiro, und genau diese Reihenfolge nehmen wir auch als die historische Entstehungsreihenfolge der vier Evangelien an. Sie betrachten unseren Heiland nachträglich aus verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Blickwinkeln, die sich teilweise überlappen, in anderen Teilen jedoch ganz einzigartige Aspekte hervorheben. Die Botschaft über unseren Messias wird durch die vier Evangelien in alle vier Himmelsrichtungen und somit in die ganze Welt getragen. Beim Gebet singen wir überall auf der Welt die Texte der Heiligen Schrift in unseren vier Tonarten:

  • dem Protus,
  • dem Deuterus,
  • dem Tritus und
  • dem Tetrardus.

Tiro: Die Vier hat es ja tatsächlich in sich!

Anteus: Johannes, der vierte Evangelist, beschreibt den Messias aus einer etwas erhöhten Warte – wie ein fliegender Adler, der von oben auf die Landschaft schaut. Schon Hieronymus hat geschrieben, dass Johannes zu Beginn seines Evangeliums – du erinnerst dich an den ersten Vers, mit dem wir vorhin unseren Diskurs begonnen hatten – höher steigt als die anderen drei Evangelisten und sich dabei in die höchsten Regionen aufschwingt, genauso wie sich ein Adler zur Sonne erhebt.

Tiro: Das kann ich gut nachvollziehen!

Anteus: Die Vier ist aber auch eine diesseitige Zahl, was du an den vier irdischen Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft erkennen kannst. Zusammen mit den drei Wesen der göttlichen Dreifaltigkeit ergibt sich zusammengezählt die Zahl Sieben und als Vielfaches die Zahl Zwölf, über die wir schon mehrfach geredet hatten, wie du dich sicherlich erinnerst.

Tiro: Ja, sehr gut sogar!

Anteus: In jedem Advent feiern wir an vier Sonntagen die Erwartung auf die Ankunft unseres Erlösers – ist nicht auch das ein wunderbares und schönes Symbol?

Tiro: Das stimmt!

Anteus: In der Offenbarung des Johannes tauchen übrigens auch die vier Apokalyptischen Reiter auf einem weißen, einem feuerroten, einem schwarzen und einem fahlen Pferd sowie die vier Engel an den vier Ecken der Erde, die die vier Winde der Erde fest aufhielten.

Das Himmlische Jerusalem ist viereckig und mit zwölf Toren angelegt, auf denen zwölf Engel sitzen. Sie stehen für die zwölf Söhne und Stämme Israels. Und auf den zwölf Grundsteinen stehen die Namen der zwölf Apostel des Lammes. Es gibt die sieben goldenen Leuchter, die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne in seiner Rechten.

Und diese Zahlen Drei, Vier, Sieben und Zwölf tauchen auch im Zusammenhang mit dem Tempelzelt und mit dem ersten Tempel der Juden auf. Für das Heiligtum sollte ein siebenarmiger Leuchter aus Gold mit drei Leuchterarmen zu jeder Seite geschaffen werden. Am Leuchter sollten vier mandelblütenförmige Kelche mit Knospen und Blüten sein. Im späteren viereckigen Tempel gab es ein dreißig Ellen Umfang großes, gegossenes Becken, das auf zwölf Rindern stand. In der Chronik des Alten Testaments heißt es zu den Rindern:

„Von ihnen schauten drei nach Norden, drei nach Westen, drei nach Süden und drei nach Osten.“

Tiro: Das alles kann wohl kaum ohne tiefsinnige Absichten sein.

Anteus: Gewiss nicht, und darüber können wir uns noch oft unterhalten! Aber nun ist es genug für heute, ich denke du solltest dich jetzt wieder deinen anderen Aufgaben widmen.

Tiro: Ich danke dir, Meister! Das war wie immer interessant und sehr lehrreich. Ich freue mich jetzt schon auf unsere nächste Begegnung.

Anteus: Und ich freue mich über deine Fragen und darüber, dass du immer so gut mitarbeitest.

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